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  | 07.07.2015

«Als ob man selbst in den Untergrund abtauchen würde»

Die Nagra führt voraussichtlich ab Herbst 2015/16 seismische Messungen in den möglichen Standortgebieten Zürich Nordost und Jura Ost durch. Herfried Madritsch arbeitet seit mehr als sechs Jahren bei der Nagra. Er war schon bei der Seismikkampage 2011/12 für die geologische Interpretation der Daten zuständig.

Was sind Deine Aufgaben bei der kommenden Seismikkampagne?

Meine Hauptaufgabe ist die Leitung der geologischen Interpretation der seismischen Daten nach Abschluss der Datenaufnahme im Feld und der seismischen Datenverarbeitung. In der Vorbereitungsphase für die Messung war ich deshalb an der Definition der Erkundungsziele für die Seismik beteiligt. Dabei gilt es beispielsweise anzugeben, in welcher Tiefe das Wirtgestein Opalinuston erwartungsgemäss liegt, das man durch die Seismik abbilden möchte. Aus dieser Zieltiefe ergeben sich gewisse Vorgaben an die Auslegung der Seismikmessung wie zum Beispiel Abstand und Anzahl der Messpunkte.

Welche geologischen Eigenschaften des Untergrunds möchtet ihr mit euren Messungen abbilden?

Mit den 3D-Seismikmessungen erkunden wir vertieft die geologischen Untergrundverhältnisse in den vorgeschlagenen Standortgebieten für ein geologisches Tiefenlager. Wir legen vorab Messgebiete fest, die sogenannten Seismikperimeter. Wir erfassen Tiefenlage und Mächtigkeit, das heisst die Dicke der verschiedenen Gesteinsschichten, sowie deren Ausdehnung und Geometrie. Insbesondere betrachten wir den Opalinuston und die unter- und überlagernden Gesteine. Wichtig ist es auch, tektonische Störungszonen im Untergrund zu erkennen und zu lokalisieren, denen man bei der Platzierung eines geologischen Tiefenlagers ausweichen möchte.

Wie wurden die Perimeter für die Seismikmessungen festgelegt?

In der Regel legt der Geologe zunächst fest, von welchen Bereichen des Untergrunds er ein seismisches Abbild braucht. Ein Geophysiker kann die Seismikperimeter anschliessend entsprechend planen. Dabei ist zu beachten, dass die Messfläche über den eigentlichen Interessensbereich des Geologen erweitert werden muss. Dies führt dazu, dass die Fläche zum Teil um einige Kilometer über die geologischen Standortgebiete hinausreicht. Der Grund dafür ist einfach: Endet der Seismikperimeter genau an der Gebietsgrenze, könnten wir die Strukturen am Rand nicht genau erkennen. Das würde dazu führen, dass wir keine Aussagen über deren Struktur oder Ausdehnung treffen können und ob sie eine Auswirkung auf ein geologisches Tiefenlager haben.

Wie läuft die Auswertung der Daten ab?

Zunächst werden die im Feld gewonnen Daten mithilfe aufwendiger geophysikalischer Verfahren für die Interpretation aufbereitet. Dabei kommen eine ganze Reihe an geophysikalischen Verfahren zum Einsatz, welche die Felddaten zu einem geologisch interpretierbaren 3D-Seismikkubus zusammenführen, wobei das Datensignal verbessert wird (vgl. Bild). Die eigentliche geologische Interpretation beginnt erst nach Abschluss dieser sogenannten Datenverarbeitung, etwa ein halbes Jahr nach Ende der Feldarbeiten. Dank der 3D-Seismik erhalten wir ein sehr detailliertes Bild des Untergrunds: Erste Erkenntnisse über den generellen Verlauf der verschiedenen Schichten sowie Lage und Geometrie grösserer Störungszonen gewinnt der Experte, der sogenannte „Seismik-Interpret“, relativ rasch. Sind die wichtigsten geologischen Schichtgrenzen und der Verlauf der grösseren tektonischen Störungen erstmal klar, wird der sehr umfangreichen Datensatz hinsichtlich verschiedenster anderer geologischer Eigenschaften tiefergehend ausgewertet.

Perspektivische Darstellung ausgewerteter 3D-seismischer Daten. Zu sehen sind die geologischen Schichten im Untersuchungsgebiet. (Abbildung: Nagra)
Perspektivische Darstellung ausgewerteter 3D-seismischer Daten. Zu sehen sind die geologischen Schichten im Untersuchungsgebiet. (Abbildung: Nagra)

Was persönlich reizt dich an deiner Aufgabe?

Seismische Daten geologisch auszuwerten, ist ein bisschen so, als ob man selbst in den Untergrund abtauchen würde. Besonders faszinierend ist es, wenn man Daten aus einem Gebiet auswerten darf, das bisher nie so detailliert untersucht wurde. Da lernt man enorm dazu. Die damit verbundene Spannung und das Entdeckergefühl motivieren mich persönlich sehr.

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