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Die Russenpeitsche – Im Griff eines Kältehochs

27.02.2018

Der meteorologische Begriff beschreibt ein Hochdruckgebiet im Winter, das über den Kontinenten liegt. Weil sich über dem Festland die Luft in der kalten Jahreszeit stärker abkühlt als über den Meeren und kalte Luft schwer ist, sinkt sie zu Boden. Und wenn ein Hochdruckgebiet nur am Boden ausgeprägt ist ohne Verbindung in höhere Luftschichten, spricht man von einem Kältehoch. Bildet sich nun ein Bodenhoch über den Kontinenten, entsteht ein Druckgefälle und eine Verbindungen zu den Meeren, was zu einer bodennahen Luftströmung Richtung Meere führt.

Ein Kältehoch befindet sich zwischen 2’000 bis 3’000 Metern. Es kommt auch vor, dass ein warmes Höhenhoch über einem kalten Bodenhoch liegt. In diesen Fällen kommt es zu einem „doppelt“ hohen Luftdruck, was zu Rekordwerten führt.

Eisgebilde © GNU Free Documentation License
Eisgebilde © GNU Free Documentation License

Im Winter bilden sich regelmässig grossflächige Kältehochs in Sibirien und Kanada, kleinflächige in den Alpen und Karpaten. Solche Kältehochs beeinflussen die Zirkulation in der Atmosphäre über der Nordhalbkugel entscheidend. In Sibirien, über Russland und der Mongolei kann ein Kältehoch mehrere Wochen andauern und zu Minustemperaturen führen, die zu den tiefsten zählen, die man auf der Erde messen kann.

Auch ist das Sibirienhoch eines der grundlegenden Aktionszentren des europäischen Wettergeschehens. Wenn sich im Winter die Westdrift abschwächt, wandern Ableger des Hochs bevorzugt nach Osteuropa und bringen, so wie jetzt, sibirische Kälte nach Mittel- und Südeuropa. Und aufgrund der warm-gemässigten Winde an der Westseite der Hochs erwärmt sich Nordeuropa.


Ein Zungenbrecher – Palygorskit

20.02.2018

Palygorskit, das auch Bergleder, Bergkork, Bergholz oder Bergfleisch genannt wird, ist ein Tonmineral und kein organisches Material. Seine Zusammensetzung wird mit der Formel (Mg,Al)4[OH|(Si,Al)4O10]2 · (4+4) H2O wiedergegeben, wobei sich die in den runden Klammern angegebenen Elemente gegenseitig vertreten können.

Palygorskit, Fundort: Lone Jack Quarry, Glasgow, Virginia, USA © John Krygier, gemeinfrei
Palygorskit, Fundort: Lone Jack Quarry, Glasgow, Virginia, USA © John Krygier, gemeinfrei

Der zungenbrecherische Name deutet auf seine ausländische Typlokalität hin – der Ort, wo das Mineral zuerst entdeckt und beschrieben wurde. In diesem Fall handelt es sich um die sog. „Zweite Mine“ am Popovka-Fluss bei Palygorsk im Gebiet von Perm, das im Gebiet des Uralvorlandes, östlich von Moskau liegt. Es wurde erstmals von Savchenkov im Jahre 1862 beschrieben und wurde unterdessen in vielen anderen Regionen der Welt gefunden.

Palygorskit gehört zur grossen Familie der Tonminerale, die bei Verwitterungsprozessen oder Alteration entstehen.

Die Tonminerale sind den Phyllo- oder Schichtsilikate zuzuordnen mit Bausteinen aus (Si,Al)O4-Tetraeder und [(Mg,Al)(O,OH)6]-Oktaeder. Hierbei unterscheidet man Zweischicht-Tonminerale (1:1-Schichtsilikate), die aus je einer Tetraeder- und Oktaederschicht bestehen und zu denen die Serpentinite– und Kaolinite gehören. In den Dreischichtmineralen (2:1-Schichtsilikate) ist an die Oktaederschicht eine weitere Tetraederschicht angehängt. Diese Gruppe ist sehr vielfältig. Einige bekannte Beispiele sind die Smektite, Montmorillonite und Illite.

Palygorskit und Sepiolith, bekannt unter Meerschaum, sind Tonminerale mit Faserstruktur aus Leisten der Dreischichtminerale. Palygorskit bildet faserige Massen mit weisser, gelblicher oder grauer Tönung.

Bedeutende Vorkommen befinden sich im mittleren Wolgagebiet, in der Ukraine, auf der Krim und in Westsibirien. Daneben wurde diese Mineralart auch in Tschechien (Heinjà) sowie in Arizona (Mammoth-Mine) gefunden.

Fundorte in der Schweiz sind eher rar und beschränken sich auf verschiedene Vorkommen in der Molasse der Zentral- und Westschweiz, sowie auf einige Steinbrüche in den helvetischen Decken der Region Obermatt-Stansstad. Eine Ausnahme bildet das Auftreten in Klüften des penninischen Geisspfad-Serpentinites im Binntal.


Graphit – Mineral des Monats Februar

13.02.2018

Als Mineral des Monats Februar wurde Graphit von der Vereinigung NEROS (Netzwerk Mineralische Rohstoffe Schweiz) gewählt.

Graphit: Old Beneis Farm, Marlborough, Cheshire County, New Hampshire, USA © Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0
Graphit: Old Beneis Farm, Marlborough, Cheshire County, New Hampshire, USA © Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0

Weil in der kalten Jahreszeit gewisse Rohstoffe direkt oder indirekt mit Energie zusammenhängen, sind sie einer besonderen Erwähnung wert. Graphit ist ein solcher Rohstoff, er ist z.B. ein wichtiger Bestandteil von Li-Ionen Batterien.

Graphit ist die stabile Modifikation von Kohlenstoff bei Normalbedingungen. Er kristallisiert in Schichten, wobei jedes C-Atom mit drei anderen kovalent verknüpft ist. Das vierte Elektron befindet sich in p-Orbitalen senkrecht zu den Schichten. Die Elektronen, die innerhalb der Schichten frei beweglich sind, bedingen den metallischen Glanz, die schwarze Farbe und die Leitfähigkeit.

Kristallgitterstruktur der 3 Kohlenstoff-Modifikationen
Kristallgitterstruktur der 3 Kohlenstoff-Modifikationen: Fulleren, Diamant, Graphit © CC0

Aufgrund der freien Elektronen ist Graphit parallel der Schichten gut leitfähig, senkrecht dazu kaum, da sich hier keine Elektronen befinden. Die einzelnen Schichten werden durch van-der-Waals-Kräfte zusammengehalten. Da diese Kräfte relativ schwach sind, können die Schichten gut gegeneinander verschoben werden.

So sind die Eigenschaften von Graphit vielfältig: Er ist schmierfähig, elektrisch leitfähig, chemisch inert und von schwarzer Färbung. Aufgrund dieser Eigenschaften wird Graphit als Pulver oder Granulat in vielen Bereichen eingesetzt: Schmelztiegelherstellung, Schmier- und Trennmittel, Bremsbeläge, Lacke und Farben, Katalysatoren, Batterien, Folien und Dichtungen und vieles mehr.

In der Autoindustrie z.B. wird Graphit immer wichtiger. Etwa 1,6 kg Graphit pro Kilowattstunde werden in einer Batterie benötigt. Auf ein Hybridfahrzeug gerechnet sind es dann 10 kg, auf ein voll elektrisch betriebenes Auto 50 kg  und bei leistungsstarken Fahrzeugen der Oberklasse (z.B. Tesla) sind es etwa 100 kg Graphit. Für die neue Gigafactory von Tesla in Nevada USA z.B., wo nicht nur Autobatterien sondern auch Komponenten für die Stromspeicherung produziert werden, sind 35 GWh pro Jahr geplant. Eine GWh entspricht der Erzeugung oder dem Verbrauch einer Milliarde Watt pro Stunde. Dies ist fast so viel wie die aktuelle Batterieproduktion der ganzen Welt zusammen oder anders gesagt rechnet man mit sechs neuen Flockengraphit-Minen um den Bedarf zu decken.

Graphit ist nicht gleich Graphit!

Man unterscheidet drei natürlich vorkommende Graphitarten:

Flocken-Graphit

  • Weniger häufig vorkommende Graphitform
  • Kohlenstoffanreicherung zwischen 85-98 %
  • 4x teurer als amorpher Graphit
  • Findet in vielen traditionellen und neuen Technologien (z.B. Li-Ionen-Batterien) Anwendung
  • Kleine, kristalline Flocken aus Graphit treten als isolierte, flache, plattenartige Teilchen mit hexagonalen Rändern auf
Flockengranit © acarbons.com
Flockengranit © acarbons.com

Amorpher Graphit

  • Am häufigsten vorkommende Form von Graphit
  • Vergleichsweise niedriger Kohlenstoffgehalt von 70-80 %
  • Geringste Reinheit
  • Nicht geeignet für die meisten Anwendungen

Hochkristalliner Graphit (Adern und Klumpen)

  • Wird nur in Sri Lanka abgebaut
  • Kohlenstoffgehalt zwischen 90-99 %
  • Knappheit und hohe Kosten schränken den Einsatz ein

Synthetischer Graphit oder Fulleren

Ein Fulleren ist ein durch Hochtemperatur gewandelter amorpher Graphit. Die Struktur sind hohle, geschlossene Moleküle mit häufig hoher Symmetrie. Dies macht ihn bis 10 Mal teurer als natürlicher Graphit und weniger attraktiv für die meisten technischen Anwendungen. Der Name „Graphitfaser“ wird manchmal verwendet, um sich auf Kohlenstofffasern oder kohlenstofffaserverstärktes Polymer zu beziehen. Fullerene kommen in der Natur nur in unbedeutenden Konzentrationen vor und wurden mit Hilfe der Massenspektrometrie in einem durch Blitzeinschlag entstandenen glasartigen Fulgurit, in Kratern von Meteoriteneinschlägen und im Kerzenruss nachgewiesen.


Warka Wasser und andere Systeme

06.02.2018

Das Projekt Warka Wasser

Warka Wasser heissen die Türme, die Wasser aus der Luft ernten: Sie sammeln Regenwasser, fangen Nebeltropfen ein und ernten Tauwasser. Benannt ist der Turm nach dem äthiopischen Feigenbaum, Warka.

Warka-Wasser Turm © www.warkawater.org
Warka-Wasser Turm © www.warkawater.org

Das italienische Architekten-Team um Arturo Vittori hat 2012 mit Unterstützung des italienischen Kulturzentrums in Addis Ababa und dem äthiopischen Institut für Architektur und Stadtentwicklung das Projekt ≪Warka Water≫, ein aus natürlichen Materialien handgefertigter Wasser-Turm, entwickelt.

Inspirieren liess sich Arturo Vittori von der Natur. Viele Pflanzen und Tiere haben auf ihren Oberflächen Mikro- oder Nanostrukturen, die es ihnen ermöglichen, Wasser aus der Luft zu ernten. → Wie Naturphänomene in der Technik Anwendung finden

Nach dem Studium von Käferschale, Lotusblume, Blättern, Spinnennetz-Fäden und dem integrierten Nebelsammelsystem in Kakteen entstand Vittoris Turm, der Regenwasser und Wasser von Tau und Nebel einsammelt.

Der Warka Wasser Turm: seine Funktionsweise © Warka Water Architecture and Vision
Der Warka Wasser Turm: seine Funktionsweise © Warka Water Architecture and Vision

Die 60 kg schwere Konstruktion wird aus Bambusrohren zusammengesetzt, ist 10 Meter hoch und enthält ein wassersammelndes Gewebe. Tests haben gezeigt, dass im Hochland von Äthiopien 50 bis 100 l / Tag durch Kondensation aus der Luft gewonnen werden können.

Der Warka Wasser Turm ist mit einfachen Mitteln durch 4 Personen in 3 Stunden aufgebaut und kostet, lokal produziert, etwa 1’000 US$.

Jeder Tropfen zählt: Die Netze im Warka Wasser Turm fangen Regen-, Nebel- und Tautropfen ein © www.warkawater.org
Jeder Tropfen zählt: Die Netze im Warka Wasser Turm fangen Regen-, Nebel- und Tautropfen ein © www.warkawater.org

Im feinmaschigen Bio-Kunststoffnetz setzen sich Nebeltropfen ab und auf einer integrierten Fläche bildet sich in der Nacht Tau.

Jeder Tropfen zählt
Wie der Warka Wasser Turm entstand

Bewässern wie der Nebeltrinker-Käfer

Ein anderes hochinteressantes System für trockene Regionen basiert auf den Prinzipien der hydrophilen Haut des Namib-Nebeltrinker-Käfers. Mit seiner Hautstruktur ist das Insekt in der Lage, Wasser aus der Luftfeuchte zu gewinnen: Es bleiben Tautröpfchen an der Haut haften, die sich auf der Wasser anziehenden Oberfläche sammeln und über den Chitin haltigen Panzer in den Mund abfliessen. Der australische Designer Edward Linacre hat das Prinzip des Käfers auf ein Bewässerungssystem übertragen, das sich Airdrop nennt.

Airdrop © jamesdysonaward.org
Airdrop © jamesdysonaward.org

Über eine Turbine, die bei wenig Wind mit Solarstrom betrieben wird, fliesst Luft unter die Erde. Dort wird sie durch die Umgebungstemperatur abgekühlt. Das daraus enstehende Kondenswasser wird in einen Tank geleitet und über eine Niederdruckpumpe und halbdurchlässige Schläuche an Pflanzen verteilt. Die Schläuche liegen unter der Erde, nahe den Wurzeln, um vorzeitige Verdunstung zu verhindern.

Nach Berechnungen des Entwicklers lassen sich in übertrockenen Regionen aus einem Kubikmeter Luft bis zu 11,5 ml Wasser gewinnen.