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Frohe Festtage!

26.12.2017

Erdwissen bedankt sich bei Euch, liebe Leserinnen und Leser, und wünscht Euch frohe Festtage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

Dünnschliffmosaik
Bunte Steinwelt unter dem Mikroskop @ E. Zingg

Wie Naturphänomene in der Technik Anwendung finden

19.12.2017

Wasser ist in vielen Gegenden der Welt Mangelware. Forscher und Ingenieure suchen deshalb nach neuen Möglichkeiten, Wasser möglichst effizient zu gewinnen. So suchte man nach einem Material, das Wasser effektiv kondensieren und abtransportieren kann. Käfer, Kaktus und Kannenpflanze zeigen, wie es funktioniert.

Kaktus als Beispiel für raffinierten Wassertransport @ CC0 Creative Commons
Kaktus als Beispiel für raffinierten Wassertransport @ CC0 Creative Commons

Ein Kaktusstachel besitzt eine konische Form. Am Ansatz ist er breit, zum Ende hin wird er dünn und spitz. Diese Form lässt Kapillarkräfte entstehen, die einen Wassertropfen von der Stachelspitze hin zum Kaktusstamm treiben lässt.

Der Namib-Wüstenkäfer ein vorbildlicher Wassersammler © Quelle: BBC
Der Namib-Wüstenkäfer ein vorbildlicher Wassersammler © Quelle: BBC

Der Nebeltrinker-Käfer, Onymacris, ein Käfer aus der Familie der Schwarzkäfer, ist endemisch in der Namib-Wüste. Er ist 2 cm gross, schwarz und hat auffällig lange Beine. Dies macht es ihm möglich den Abstand des Rumpfes vom heissen Sand gross zu halten. Die Deckflügel haben kleine Noppen und in der Mitte eine Rinne. Der Nebel kondensiert in kleinen Tröpfchen an den Noppen und fliesst über die Rinne seines Rückens direkt ins Maul. So gewinnt er aus über die Wüste hinweg ziehenden Nebelschwaden sein Wasser. Die Struktur seiner Deckflügel ist eine Kombination hydrophiler Noppen (Wasser anziehend) und hydrophober flacher Bereiche (Wasser abstossend).

   Nebeltrinker-Käfer: Beschaffenheit seiner Flügel zur Kondensation von Wasser, Quelle: Springer
Nebeltrinker-Käfer: Beschaffenheit seiner Flügel zur Kondensation von Wasser, Quelle: Springer

Die fleischfressende Kannenpflanze fängt ihre Opfer, meist Ameisen, mit einem Trick. So sind Teile der Pflanze mit einem glitschigen Ölfilm überzogen, auf dem die Ameisen ausrutschen und in den Kelch stürzen.

Fleischfressende Kannenpflanze @ gemeinfrei
Fleischfressende Kannenpflanze @ gemeinfrei

Dieser Trick klappt auch beim noppenbesetzten Aluminium, indem es die Forscher mit einer porösen Nanostruktur beschichten. Die Nanoporen speichern Öl, das einen Schmierfilm ausbildet, auf dem dann die Wassertropfen rutschen, was den Tröpfchentransport deutlich beschleunigt.

Zum Einsatz kommen soll das Material zum Beispiel zur Wassergewinnung in der Wüste oder für effizientere Wärmetauscher in Kraftwerken, an denen heisser Dampf auf kalten Oberflächen kondensiert. Damit verhindern kann man auch die Vereisung von Flugzeugflügeln, wo ein gefrorener Tropfen eine Kettenreaktion auslöst, denn Eiskristalle verbreiten sich, indem sie Brücken über die Wassermoleküle schlagen.

Der Nebeltrinker-Käfer


Schnee – heiss und kalt, hart und weich

12.12.2017

Es fängt mit Wasserdampf an, der in der Luft vorhanden sein muss. Sinkt die Temperatur, wird Wasserdampf an kleinen Staubteilchen kondensiert und Wassertröpfchen bilden sich, die ab -10°C zu gefrieren beginnen.

Sechseckiger Schneekristall @ gemeinfrei
Sechseckiger Schneekristall @ gemeinfrei

Die Grundform des Schneekristalls ist ein sechseckiger plattiger Eiskristall, bedingt durch die sechseckige Kristallgitter-Struktur der Wassermoleküle. Auf dem Weg zur Erde wachsen die Kristalle, denn Temperatur, Windverhältnisse und Luftfeuchtigkeit ändern sich. Das bedeutet, dass keine Schneeflocke der anderen gleicht. Von Temperatur und Luftfeuchtigkeit hängt auch die Flockengrösse ab. Über -5°C und erhöhter Luftfeuchtigkeit entstehen grosse Flocken, unter -5°C in trockener Luft fällt der Schnee häufig als Eisnadel und Eisplättchen. Dies trifft vor allem für die Polregionen der Erde zu.

Fallen Schneekristalle auf den Boden und häufen sich zu einer Schneedecke an, entsteht ein komplexes Material. Anfangs noch pulverartig, wachsen die Kristalle zusammen und bilden eine lockere Struktur, die sich laufend verändert.

Die wichtigsten Eigenschaften sind Dichte, Temperatur, Feuchtigkeit und Schneehärte. Und alle Schneeeigenschaften hängen von der Temperatur, der Dichte und der Belastungsgeschwindigkeit ab.

Schnee, ein visko-elasto-plastisches Material

Zusätzlich zur temperaturgetriebenen Dynamik ist die Schneedecke ständig der Schwerkraft ausgesetzt, was zu einer Verformung der Struktur führt. Je kälter und dichter, desto viskoser oder zähflüssiger ist der Schnee. Und je nachdem wie schnell der Schnee verformt wird, reagiert er unterschiedlich. Schnee verhält sich bei langsamer Belastung ähnlich wie dickflüssiger Honig: er ist dehnbar und verformbar. Bei kleiner Dehnungsgeschwindigkeit erfolgt also eine plastische Verformung, bei hoher Dehnungsgeschwindigkeit ist das Verhalten elastisch bis spröd. Bis anhin wurden zur Erklärung Mechanismen wie z. B. Kriechen bzw. Korngrenzengleiten herangezogen. Neuste Untersuchungen am SLF zeigen, dass sich die Deformation von Schnee durch die Mikrostruktur und die mechanischen Eigenschaften seines Bauelements Eis erklären lässt.

 Bei langsamer Verformung verhält sich Schnee wie eine zähe Flüssigkeit.
Bei langsamer Verformung verhält sich Schnee wie eine zähe Flüssigkeit.

Vor allem lockerer Neuschnee ist ein sehr poröses, zusammendrückbares Material. Seine Kompressibilität hängt in erster Linie von der Dichte, aber auch von Temperatur, Schneeart und Feuchtigkeit ab. Mit zunehmender Grösse der Bindungen und mit zunehmender Kälte wird der Schnee härter, und die Festigkeit des Schnees nimmt mit der Dichte zu.

In einem als Sinterung bezeichneten Prozess verdichten sich die Kristalle weiter und die Poren werden aufgefüllt, so dass die Luftdurchlässigkeit abnimmt. Bei der Sinterung spielen im Eiskristall Gleitvorgänge und Rekristallisation eine wichtige Rolle, bei der das Kristallgefüge durch Umformung neu strukturiert wird.

Diese durch Druck und Temperaturunterschiede ausgelösten Umwandlungsprozesse finden bereits im Inneren der Neuschneedecke statt: Die destruktive (abbauende) Metamorphose beseitigt durch Schmelzen und Verdunsten komplizierte, verzweigte Kristallstrukturen und wandelt die Schneeflocken-Kristalle zu Eiskörnern um.

Neben der Temperatur spielt auch der Druck eine entscheidende Rolle, denn erhöhter Druck führt zum Schmelzen des Schnees, geringerer Druck zum Wiedergefrieren des Schmelzwassers.


Ein See voller Geheimnisse!

05.12.2017

Im äussersten Osten der Türkei, in den Provinzen Van und Bitlis an der Grenze zu Iran liegt der Vansee. Sein Wasser ist stark alkalisch, da der einstige Abfluss durch den Vulkan Nemrut Dağı am Westufer vor etwa 1 Million Jahre versperrt wurde. Der Nemrut Dağı ist nach dem sagenhaften König Nimrod benannt, wobei der armenische Name „Bergquell“ bedeutet und eher zutrifft. Der See, der im Neogen entstanden ist, misst heute 120 auf 80 km, ist 457 m tief und liegt auf etwa 1’700 Metern. Gespeist wird er von den Flüssen der umliegenden Berge. Zudem ist es der grösste Sodasee der Welt.

Der Berg Çadır Dağı von der Insel Akdamar im Vansee/Osttürkei aus Richtung NW gesehen. Auf der Insel befindet sich die armenische Kirche zum Heiligen Kreuz © Creative Commons Attribution 2.0 Generic
Der Berg Çadır Dağı von der Insel Akdamar im Vansee/Osttürkei aus Richtung NW gesehen. Auf der Insel befindet sich die armenische Kirche zum Heiligen Kreuz © Creative Commons Attribution 2.0 Generic

Der See hat eine einzige endemische Fischart, die Karpfenart Chalcalburnus tarichi, die im Brackwasser lebt. Allerdings ist sie stark bedroht. Berühmt sind auch die Vankatzen, eine Katzenart, die freiwillig ins Wasser geht und schwimmt.

Legende und Geschichte

Eigentlich wollten die Archäologen der Van Yüzüncü Yıl University auf ihren Tauchgängen einer Legende auf die Spur kommen, laut derer im See ein saurierähnliches Tier leben soll – ähnlich dem Loch Ness in Schottland. Das fanden sie zwar nicht, dafür kilometerlange, gewaltige Mauern einer Festung aus der Bronzezeit. Obwohl sie vor etwa 3000 Jahren erbaut wurde und unter Wasser liegt, ist sie erstaunlich gut erhalten. Datiert ist sie jedoch noch nicht.

Es wird vermutet, dass die Festung ein Relikt aus dem Königreich Urartu ist, einer Zivilisation, die auf das neunte bis sechste Jahrhundert v. Chr. datiert wird. Das Königreich siedelte während der regionalen Bronze-/Eisenzeit um den See und errichtete zahlreiche Festungen. Ihr Herrschaftsgebiet umfasste neben der heutigen Türkei auch Armenien und Iran. Bekannt ist etwa Erebuni in Armenien, eine Anlage aus dem achten Jahrhundert v. Chr..

Der grösste See der Türkei lüftet damit ein lange gehütetes Geheimnis. Die Vermutung, dass auf dem Grund des Vansees etwas Aussergewöhnliches zu finden ist, gibt es schon länger, denn in der Umgebung des Sees, an den bergigen Seeufern fanden die Archäologen immer wieder Reste historischer Siedlungen. Der Wasserpegel des Vansees schwankt seit Jahrtausenden stark. Während der Zeit des Urartäischen Reichs stand das Wasserstand wahrscheinlich deutlich tiefer als heute. So kann man annehmen, dass Siedlungen und Festungsanlagen als Folge des schwankenden Wasserstandes immer wieder aufgegeben wurden.

Geologische Untersuchungen

Gestützt wird die Vermutung stark schwankender Wasserstände durch neuste Forschungsergebnisse einer internationalen Forschergruppe angeführt von der Eawag und der Uni Bern. Auf Grund des unterschiedlichen Salzgehalts im Porenwasser der Sedimentkerne aus dem Vansee konnten die Seespiegelschwankungen der letzten 250‘000 Jahre von bis zu 200 m unter- und 105 m oberhalb des aktuellen Seespiegels rekonstruiert werden.

Weil im See absolut betrachtet immer gleich viel Salz gelöst ist, sinkt der Salzgehalt pro Liter Wasser mit steigendem Volumen und umgekehrt. Und weil die Geometrie des Sees vermessen wurde, kann aus den berechneten Volumen auf den Seespiegel geschlossen werden.

Während Zeiten höchster Wasserstände hat der See im Südwesten wahrscheinlich einen Abfluss zum Tigris gehabt. Mit dem abfliessenden Wasser muss der Salzgehalt stark gesunken sein ­– ein Befund, der durch Schalen von Süsswassermuscheln in den Seeablagerungen gestützt wird.

Bei geschlossenem Becken wird die Wasserbilanz des Sees nur von den Zuflüssen und der Verdunstung bestimmt. Dies erlaubt eine Rekonstruktion des Auf und Ab des Seespiegels und damit auch Rückschlüsse auf das Niederschlagsregime im Einzugsgebiet. In der Nähe steht mit dem Berg Ararat jener biblische Ort, wo nach der Sintflut die Arche Noah gestrandet sein soll.

Die Festung im Vansee