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  | 25.08.2016

Botschaften für die Zukunft

Wie kann man das Wissen über ein geologisches Tiefenlager an künftige Generationen verständlich und bewusst weitergeben? Anne Claudel gehört zu einer internationalen Expertengruppe der OECD, die sich mit dieser Frage auseinandersetzt.

«Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie Wissen in vergangenen Zeiten überliefert wurde», sagt Anne Claudel, die seit 1998 für die Nagra arbeitet. Aus der Vergangenheit lerne man zudem, was für lange Zeit Bestand habe. Anne Claudel hat neben Informations- und Kommunikationswissenschaften auch Kunstgeschichte und Archäologie studiert.

Sie sieht eine Parallele zwischen Archäologie und dem Wissenstransfer über ein geologisches Tiefenlager. „Ein Archäologe interpretiert die Vergangenheit im Licht der Gegenwart. Wir versuchen Zukunftsszenarien vorherzusehen, auch im Licht der Gegenwart“, erläutert sie. Anne Claudel gehört zu einer internationalen Expertengruppe der NEA, der Atomenergieagentur der OECD. 12 Länder, darunter Schweden, Finnland und die USA, erarbeiten seit 2010 Möglichkeiten und Strategien, das Wissen über geologische Tiefenlager über viele Generationen zu bewahren. Auch Warnhinweise gegen ein unbeabsichtigtes Eindringen werden diskutiert (siehe Textbox unten).

Verständliche Botschaften und Markierungen

Die Forschung für den generationsübergreifenden Wissenstransfer und die Markierung geologischer Tiefenlager steht erst am Anfang. Sprachen und Symbole sind im ständigen Wandel. Nachrichten über Generationen zu überliefern ist das Eine. Das Andere ist, was werden die Menschen mit dem Überlieferten anfangen und werden sie unsere Botschaften verstehen. «Man muss sich nur einmal vor Augen führen, dass die Menschen in der Zukunft vielleicht gar nicht mehr wissen, was Radioaktivität ist», sagt Anne Claudel. Und mit welchen Kennzeichen könne man die Menschen dann eindeutig warnen, wenn sich Schrift und Symbole in der Zukunft ändern würden?

Keilschrift Erebuni
Keilschrift an der Mauer der antiken Festung Erebuni im heutigen Armenien © Shaun Dunphy . 800 v. Chr.

So ersinnt man in der Expertengruppe viele Möglichkeiten, um ein und dieselbe Botschaft zu übermitteln. Dies mit dem Ziel, dass das gesamte Wissen nicht auf einmal verloren geht. Die Expertengruppe erarbeitet viele, teils auch zusammenhängende Methoden für den Wissenstransfer: Ablage der Informationen in Bibliotheken und Staatsarchiven, Zeitkapseln, Markierungen als Warnsymbole vor Ort oder monumentale Bauten. Eine andere Idee wäre, einen Teil der Oberflächenanlage als Museum zu erhalten. Die Expertengruppe wird bis April 2018 die Methoden sammeln und gleichzeitig jede einzelne detailliert beschreiben.

Keine Voraussetzung für Langzeitsicherheit

«Wir gehen mit all diesen Methoden weg von einer reinen Markierung des Lagerstandorts und Archivierung der Informationen darüber», führt Anne Claudel aus. Man möchte mit den heutigen Vorbereitungen Kontinuität schaffen, damit es keinen Bruch im generationsübergreifenden Wissenstransfer gibt. «Ein hoher Anspruch», räumt sie ein. «Vielleicht überschätzen wir schlicht unsere Fähigkeit, diese Informationen verständlich und bewusst weitergeben zu können. Auch wenn dies keine Voraussetzung für die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers ist.» (siehe auch Textbox unten)
Es sei klar, dass es auch Dinge gibt, die man vom heutigen Standpunkt aus gesehen, nicht beeinflussen könne. So lässt sich die gesellschaftliche Entwicklung nicht vorhersehen. Und die Neugier der Menschen ist natürlich auch ein Stolperstein. «Der Mensch ist und bleibt letztlich das Fragezeichen daran», meint Anne Claudel.


Langzeitsicherheit und langfristige Information

Die Sicherheit eines Tiefenlagers basiert auf dessen Standort und Auslegung. Die radioaktiven Abfälle sind während der Zeit, in der sie bis zur «Unschädlichkeit» zerfallen, sicher eingeschlossen, ohne dass der Mensch eingreifen muss. Der langfristige Informationsfluss über Generationen ist erstrebenswert, stellt jedoch keine Voraussetzung für die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers dar.

Gesetzliche Vorgaben

Nach der Richtlinie ENSI-G03 muss die Eigentümerin oder der Eigentümer eines Tiefenlagers ein Konzept für die Markierung im Rahmen des Baubewilligungsgesuchs vorlegen. Dieses muss in den anschliessenden Bewilligungsschritten konkretisiert werden. Die Kernenergieverordnung hält zudem fest, dass eine Dokumentation erstellt werden muss, welche die Kenntnisse über das Lager sicherstellt.

Centre de stockage de la Manche
Archivgerechte Aufbewahrung der Dokumentation zum Lager für radioaktive Abfälle („Centre de stockage de la Manche“) Foto: ©Patrice Maurein

Links:
OECD/NEA-Bericht «Constructing Memory» (in Englisch)

Artikel zum Thema im «Le temps» (in Französisch)

Das BFE bloggt zum Thema

Film «La solution radiochats» – réalisé par Benjamin Huguet et lauréat du concours „regards sur les déchets radioactifs“ organisé par l’Andra en 2015 (in Französisch) ein Film über die Idee Strahlenkatzen zu züchten.

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