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  | 14.03.2016

Ammoniten: Harte Schale, weicher Kern

Das runde Ding aus Stein weckt Kindheitserinnerungen in mir. Meine Freude war jeweils gross, wenn ich beim Wühlen im Dreck eine runde Versteinerung in der Grösse eines Fünffrankenstücks fand: Ammoniten. Rund 30 Jahre später höre ich nun dem Paläontologen Christian Klug von der Uni Zürich zu. Er hält bei der Nagra einen Vortrag über Ammoniten, die Tiere, die auch in der Nagra-Tiefbohrung Benken im Opalinuston gefunden wurden. Der Forscher zeigt auf, was die Wissenschaft alles über diese leider schon ausgestorbenen Meerestiere weiss. Meine Faszination ist ungebrochen.

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Der Paläontologe PD Dr. Christian Klug ist Lehrbeauftragter der Universität Zürich und Kurator des Paläontologischen Museums und der umfangreichen Sammlung. Seine Leidenschaft gilt den Ammoniten (Foto: Nagra).

Bei Gefahr den Kopf einziehen

Ammoniten lebten vor rund 408 bis 66 Millionen Jahren und wurden durchschnittlich 1 bis 30 cm, in Einzelfällen sogar bis zu 2 Meter gross. Sie besassen eine spiralförmige kalkige Aussenschale, die aus einer grossen Wohnkammer und vielen kleineren Kammern besteht. Ammoniten gehören zu den Kopffüssern. Wie eine Schnecke aus dem Schneckenhaus, konnten auch sie ihren Kopf und die Arme aus der Wohnkammer hinausstrecken. Waren Räuber wie Haie in der Nähe, zog der Ammonit wahrscheinlich blitzschnell Kopf und Arme ein. Seine Aussenschale schützte ihn. Tintenfische, die es auch heute noch gibt, sind ebenfalls Kopffüsser. Ihnen fehlt aber eine solche Aussenschale. Somit können sie nur flüchten und die Räuber durch Ausstossen von Tinte verwirren.

In der Schwebe bleiben

Ammoniten konnten sich durch Ausstossen von Wasser im Meer fortbewegen. Zur Kontrolle des Auftriebs und zum Schweben nutzten sie die gekammerten Bereiche ihres Gehäuses mit dem darin enthaltenen Gas und Wasser. Unter anderem anhand der Form der Kammern lässt sich ein Ammonit auch von anderen Kopffüssern wie den Nautiliden unterscheiden. Letztere haben zwar ebenfalls eine spiralförmige Aussenschale, bei den Ammoniten sind aber die Trennwände der Kammern komplexer gefaltet. Nautiliden gibt es heute noch, bekannte Vertreter sind die Perlboote.

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Ammoniten gibt es in verschiedensten Formen (Einzelabbildungen nicht massstäblich, Fotos: Christian Klug). Links: Creniceras, ca. 163,5 bis 157,3 Millionen Jahre alt, aus Liesberg (BL); Mitte: Mariella Bergeri, ca. 126,3 bis 112,9 Millionen Jahre alt, vom Säntis; Rechts: Macrocephalites, ca. 166,1 bis 163,5 Millionen Jahre alt, aus Anwil (BL).

Die Kleinen ziehen immer den Kürzeren

Ammoniten sind ausgestorben. Vermutlich hat sie ein Meteoriteneinschlag vor rund 66 Millionen Jahren ausgerottet. Einige Nautiliden hingegen überlebten. Klug vermutet, dass die Nautiliden dank der viel grösseren Embryonen mehr Reserven hatten, um langfristige Verschlechterungen in den Umweltbedingungen zu überstehen.

Übrig bleibt nur die harte Schale

Die harte äussere Schale von lebenden Ammoniten bestand mehrheitlich aus dem Mineral Aragonit. Nach dem Tod wurde es meistens aufgelöst und die dabei entstandenen Hohlräume oftmals mit Calcit, Pyrit oder anderen Mineralien gefüllt. Bisher konnten in den Versteinerungen noch keine eindeutigen Reste der Arme oder anderer äusserer Weichteile gefunden werden. In vereinzelten Fällen stiess man aber auf Spuren, die von inneren Weichteilen wie dem Verdauungstrakt mit dem Kropf und Magen, den Kiemen, der Raspelzunge oder dem Kopfrückziehmuskel herrühren. Über fossile Mageninhalte lassen sich weitere Schlüsse ziehen; beispielsweise dass sich Ammoniten von Plankton ernährt haben. Am Schluss bleibt von einem Ammoniten meist nur noch die Schale übrig. Ein herrlich bläulich schimmerndes (opalisierendes) Gehäuse im Falle des Ammoniten «Leioceras opalinum», der dem Opalinuston seinen Namen gegeben hat.

Weswegen interessiert sich die Nagra für Ammoniten?

Der Ammonit Leioceras opalinum (Tab «Ton») ist ein sogenanntes Leitfossil. Es ermöglicht die Altersbestimmung der Sedimentschicht, in der es gefunden wurde: Die Gesteine des Opalinustons sind rund 175 Millionen Jahre alt. In der Nagra-Tiefbohrung in Benken wurde ein besonders gut erhaltener Leioceras opalinum gefunden. Dies zeigt, dass Opalinuston Dinge über lange Zeit konservieren und sicher einschliessen kann. Eben auch radioaktive Abfälle in einem geologischen Tiefenlager. Diese Abfälle lassen sich im Wirtgestein Opalinuston hundertausende bis zu einer Million Jahre sicher einschliessen. Eine Zeitspanne, die vergleichsweise klein ist, wenn man sich das Alter des Opalinustons in Erinnerung ruft.

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Im Paläontologischen Museum der Universität Zürich gibt es unter anderem viele Ammoniten und andere versteinerten Meerestiere und Pflanzen zu sehen (Foto: Nagra).

Das Paläontologische Museum der Universität Zürich kann kostenlos besucht werden. Neuigkeiten zum Museum gibt es via Facebook: momentan findet eine kleine Sonderausstellung statt.


Woher kommt Christian Klugs Faszination für Ammoniten?

Im Interview hat uns Christian Klug unter anderem verraten, wie er vom «Virus» Ammonit ergriffen wurde und was er über Ammoniten noch herausfinden möchte.

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Christian Klug sammelt Ammoniten aus aller Welt, wie diesen Didymoceras nebrascense aus den USA (Foto: Nagra).

Haben Sie als Bub auch schon Ammoniten gesammelt?

Ich habe mich als zehnjähriger Schüler schon stark für die Natur interessiert. Mein Onkel Bernd war einer der ersten, der mich mit Fossilien in Berührung brachte. Während eines Ferienaufenthaltes in Nürnberg fragte er mich: «Magst Du Goldschnecken sammeln?» Das war natürlich eher eine rhetorische Frage. Die pyritisierten Ammoniten, die ich damals fand, liegen heute noch bei mir.

Was fasziniert Sie an Ammoniten?

Es gibt verschiedene faszinierende Aspekte. Als sehr visueller Mensch spricht mich die Formenvielfalt der Gehäuse und insbesondere aber der Lobenlinien an. Als Wissenschaftler finde ich es spannend, dass im Gehäuse der Ammoniten ihre ganze Entwicklung enthalten ist. Dies macht uns wertvolle Informationen zugänglich für die Rekonstruktion evolutiver Prozesse. Auch das Verborgene reizt mich sehr, in diesem Fall die nur sehr lückenhafte Kenntnis der Weichteile und der Lebensweise der Ammoniten. Ich hoffe, durch die Forschungstätigkeit noch mehr über die Evolution, die Lebensweise und das Aussterben der Ammoniten herauszufinden.

Wie läuft der Wissensaustausch mit anderen Forschern auf Ihrem Gebiet?

Die meisten Ammoniten-Forscherinnen und Forscher kennen sich gut untereinander. Je nach Forschungsthema arbeite ich mit vielen unterschiedlichen Kolleginnen und Kollegen weltweit zusammen. Das macht einen zusätzlichen Reiz dieser Tätigkeit aus.

Gibt es denn viele Paläontologen, die sich insbesondere für Ammoniten interessieren?

Im Vergleich zu anderen Forschungsbereichen stellen die Ammoniten-Forscherinnen und Forscher eine eher kleine Gruppe dar (hunderte weltweit). Natürlich ist es so, dass man jedes Gebiet unterteilen kann und irgendwann erreicht man eine Community-Grösse, die unserer entspricht. Um es anders zu sagen: Ich arbeite auch über andere Kopffüsser, wodurch sich die Gruppe der Gleichgesinnten erhöht. Da ich aber auch über andere Gruppen (andere Wirbellose, manchmal auch Wirbeltiere) arbeite, ist meine „Peer Group“ schon unüberschaubar (tausende weltweit).

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