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  | 06.01.2016

Den Erdboden mit Hilfe eines Bohrlochs abhorchen

Aufzeitmessungen sind Bestandteil der laufenden 3D-Seismik. Sie korrigieren den Einfluss von nicht oder nur wenig verfestigten Lockergesteinen auf seismische Wellen. Dazu werden im Bohrloch einer Aufzeitbohrung seismische Messungen durchgeführt. In den beiden Standortgebieten Jura Ost und Zürich Nordost braucht es insgesamt zehn solcher Aufzeitmessungen.

Die obersten geologischen Schichten unter unseren Füssen bestehen in der Regel aus nicht oder nur wenig verfestigten Sedimenten und besitzen eine vergleichsweise geringe Dichte. In dieser sogenannten Lockergesteinsdecke kommen seismische Wellen zunächst nur langsam voran, werden also verzögert. Dies kann beispielsweise bei 3D-Seismik-Messungen das seismische Abbild des Untergrunds verzerren und erschwert die Interpretation der Daten. Die Verteilung und Mächtigkeit der Lockergesteinsdecke innerhalb eines Messgebiets variieren mitunter stark. Bei der seismischen Datenverarbeitung braucht es deshalb eine flächenhafte ausgleichende Korrektur für die langsameren Geschwindigkeiten in der Lockergesteinsdecke. Dazu werden diese Geschwindigkeiten mit Hilfe von LVL-Messungen (LVL = Near surface low velocity layer) und sogenannten Aufzeitmessungen an mehreren Orten im Messgebiet charakterisiert. Aufzeitmessungen erfolgen in Aufzeitbohrungen.

Vergleichbar mit Erdwärmesondenbohrung

Das bei den Aufzeitbohrungen benötigte Bohrgerät ist auf einem Lastwagen oder Raupenfahrzeug montiert. Die Bohrung und Verrohrung des Bohrlochs dauern zwei Tage. Das Bohrloch durchstösst die Lockergesteinsdecke von oben nach unten und geht dann noch rund 20 Meter in den darunterliegenden festen Fels hinein. Die Tiefe der Bohrung richtet sich also nach der lokalen Mächtigkeit der Lockergesteinsdecke. In der Regel sind die Bohrungen um die 100 Meter tief und damit vergleichbar mit einer kleineren Erdwärmesondenbohrung.

Messprinzip-Aufzeitmessungen
Schematische Darstellung einer Aufzeitmessung: Im Bohrloch der Aufzeitbohrung positionierte «Mikrofone» fangen die seismischen Wellen auf, die an der Erdoberfläche durch ein Fallgewicht erzeugt und zum Teil an den verschiedenen Horizonten reflektiert werden. Grafik: Nagra

Seismik im Bohrloch

Experten der Messfirma DMT bestimmen bei den Aufzeitmessungen in jeder Aufzeitbohrung ein vertikales, seismisches Geschwindigkeitsprofil. Eine Messkette aus empfindlichen «Mikrofonen» ist im Innern des Bohrlochs vertikal auf ganzer Länge angeordnet. Bei mit Wasser gefüllten Bohrungen kommen Unterwassermikrofone, sogenannte Hydrophone, zum Einsatz. Sonst reichen Geofone. Die Messkette fängt die Schwingungen auf, die von einem mobilen Fallgewicht in der Nähe des Bohrlochs erzeugt werden.

Bei der späteren seismischen Datenverarbeitung dienen die vertikalen seismischen Profile aus den Aufzeitmessungen gemeinsam mit den LVL-Messungen als Eichpunkte für die Korrektur der langsamen Geschwindigkeiten in der Lockergesteinsdecke innerhalb der Messgebietsfläche.

Aufzeitbohrungen starten ab Ende Januar

Im Standortgebiet Jura Ost sind drei und in Zürich Nordost sind sieben Aufzeitbohrungen geplant. Diese ergänzen bereits vorhandene Daten von Aufzeitmessungen aus früheren Seismikkampagnen. In Zürich Nordost sind Lockergesteinsschichten weiter verbreitet als in Jura Ost, wo sich mächtigere Lockergesteinsablagerungen auf das Aaretal beschränken. Somit braucht es in Zürich Nordost auch mehr Aufzeitbohrungen als in Jura Ost.

Für die Aufzeitbohrungen in Jura Ost liegen die Bewilligungen des Kantons Aargau bereits vor; ab Ende Januar kann gemessen werden. In Zürich Nordost werden derzeit mögliche Stellen der Aufzeitbohrungen mit den Grundeigentümern besprochen.

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